Der kleine Seniorenteller. Die graue Gehhilfe. Ein Handy mit drei Tasten. Praktisch und funktional müssen diese Tools sein – das ist das Wichtigste.

Ist es das wirklich?

Zukunftsforscher, Designer und Produktentwickler schütteln über diese Herangehensweise an Design und Vermarktung von Produkten für die Generation 60+ zunehmend den Kopf. Und die, für die es eigentlich designet werden soll, auch.

Warum das? Ganz einfach: Silver Ager haben hohe Ansprüche und sie möchten dazugehören – und durch ihren Lebensstil Vitalität und Interesse am gesellschaftlichen Leben signalisieren. Ihre mitunter besonderen Bedürfnisse zu entstigmatisieren ist etwas, was zu den größten Herausforderung von Produktdesignern zählt: denn nur, weil etwas praktisch ist, möchte man es noch lange nicht auch nutzen. Das Design ist mindestens genauso wichtig.

Manche Produkte können sich durch eine fehlende ansprechende Optik ins Aus schießen.

Was genau ist Produktdesign für ältere Menschen?

Hörgeräte sind ein Beispiel dafür, wie gutes Produktdesign funktionieren kann: Früher klobig und markant am Ohr, waren ihre Träger schon von der Ferne stigmatisiert – das Produkt hat sie schlicht benachteiligt aussehen lassen. Heute ermöglichen winzige digitale Hörgeräte, die man im Ohr gar nicht wahrnimmt, sogar eine diskrete Steuerung übers Smartphone. Ein Best-Practice-Beispiel.

Aber auch Lösungen der Fahrtendienste Uber und LYFT machen Sinn: Da manche Silver Ager nicht gut mit den Apps zurechtkamen um einen Wagen zu bestellen, haben die Unternehmen ein Call-Center eingerichtet – so können Menschen, die die App nicht nutzen, einfach telefonisch einen Wagen bestellen.

Eine wachsende Zielgruppe wird Zukunftsmarkt

Produkte auch für die Generationen 60+ zu designen, würde für viele Firmen ein größeres Stück vom Umsatzkuchen bedeuten. „Der Markt wächst und wird weiter wachsen. Das betrifft alle Industrien und Branchen“, sagt Frank Leyhausen, Geschäftsführer der Strategieberatung MedCom international und Initiator des Innovationswettbewerbs für Lösungen für Senioren und ihre Angehörigen, des SENovation Awards.

Leyhausen sagt, dass sich eine zeitgemäße Kommunikation mit und ein Bemühen um die ältere Zielgruppe für Unternehmen lohne. „Wir nehmen Leute über 60 heute einfach nicht mehr mit. Dabei ist das der Großteil der eigentlichen Nutzer – und auch der Großteil der Nutzer, die das Geld haben“, sagt Leyhausen.

Er rechnet vor: Rund 17.000 Euro jährlich gibt jeder Deutsche über 60 im Schnitt für Konsum aus.

Im Vergleich dazu sind unter 30-Jährige mit lediglich 11.504 Euro dabei. Unternehmen müssten die Gruppe ihrer potenziellen Kunden erweitern, ihre Kommunikationsprozesse an sie anpassen und sie auch in die Produktentwicklung mit einbeziehen.

Auch die Bertelsmann Stiftung empfiehlt in ihrer Studie „Alter neu denken“, ältere Menschen verstärkt in ihrer Rolle als Kunden und Verbraucher anzusprechen:

Die Wachstumschancen der deutschen Wirtschaft würden in Zukunft stark davon abhängen, inwieweit es gelingt, bei der Entwicklung und dem Angebot von Produkten und Dienstleistungen die Interessen und Bedürfnisse älterer Menschen gezielt anzusprechen.

Mobilität und Digitalisierung sind die Treiber

Es hat sich gezeigt, dass zwei Branchen in den vergangenen Jahren besonders angezogen haben. Die Mobilität und die Digitalisierung – die Themen Pflege und Gesundheit stehen schon lange nicht mehr allein im Vordergrund. „Diesen Generationen geht es heute um Mobilität, Ernährung, Sport – es gibt ein ganzes Lebensspektrum abseits von Stereotypen“, so der Experte. „Älteren Menschen ist es unheimlich wichtig, mobil zu sein. Denn das heißt auch, autonom und unabhängig zu sein.“

Auch, dass der solide Umgang mit dem Smartphone oder dem Internet gelernt wird, bringt die Zielgruppe weiter. „Nur, weil jemand ein iPhone hat, heißt es nicht, dass er auch Apps installieren kann. Wenn man die Nutzungsmöglichkeiten nicht erklärt, geht uns als Gesellschaft viel verloren.“

Wenn jung für älter entwickelt

„Wir sind alle in einer Gesellschaft aufgewachsen, die Menschen als ,zu alt‘ bewertet: Zu alt für den Job, die aktuelle Mode oder neue Technologien. Diese Bewertung nach dem kalendarischen Alter ist nicht nur falsch und diskriminierend, sie hindert uns auch daran, relevante Angebote für diese Menschen zu entwickeln“, so Frank Leyhausen.

Der SENovation Award will das ändern. 120 Start-ups – vorwiegend von jungen Menschen gegründet – haben hier schon ihre Ideen vorgestellt.

So, wie Leyhausen nach den Best-Practice-Beispielen für Silver Ager sucht, so weiß er auch um die wenig erfreulichen Worst-Practice-Beispiele auf dem Gebiet bescheid. „Der Klassiker ist der Seniorenteller. Keiner will den haben.“ Eine halbe Portion mag praktisch sein – aber auch hier gelte: so etwas muss auch Stil haben. Den sucht man hier vergeblich.

Wie gelingt Produktdesign für Ältere?

✅Die Zielgruppe bei der Produktentwicklung miteinbeziehen – schließlich braucht man für Produkte für diese Zielgruppe auch ihren Blickwinkel

✅Was das Image und das Design betrifft, sollten sich Produkte und ihre Designs weg von Linderung der Beeinträchtigung ihrer Nutzer hin zu Steigerung ihrer Lebensfreude bewegen

✅Last but not least: Mit den Älteren sprechen – statt nur über sie

Quellen:

SENovation Award

Empfehlungen der Expertenkommission „Ziele in der Altenpolitik“ zu gesellschaftlichen Altersbildern / Bertelsmann Stiftung

Alter in der Werbung

Magdalena Vachova

Magdalena Vachova ist selbstständige Kommunikationsberaterin, Marketing-Enthusiastin und Text-Profi mit jahrelanger Erfahrung. Sie konzipiert Botschaften, übersetzt Komplexes, schafft Verständnis und Aufmerksamkeit. Authentisch, in unsere Zeit passend, wirksam.